Die Pandemie als Stresstest für die Organisationskultur

Pandemiebedingt haben einschneidende Veränderungen in der Organisation (z.B. HomeOffice oder Wochengruppen) und in der Kultur (z.B. Führungs- und Gesprächskultur) stattgefunden. Oft ohne grosse Vorbereitung und Planung – Hauptsache schnell! Die Krise hat das Tempo diktiert, nicht die Organisation. War das nun gut oder schlecht? Was sind die bleibenden Effekte daraus?

Umfragen von renommierten Instituten, aber auch meine eigenen Recherchen ergeben, dass die Kommunikation – als wichtiger Bestandteil der Organisationskultur – besonders gelitten hat. Neue Kanäle, Frequenzen, Inhalte, Prioritäten und Tonalitäten mussten gefunden werden. Im HomeOffice sind die informellen Kaffeegespräche meist ersatzlos untergegangen und damit auch ein gutes Stück des Austausches und der Organisationskultur. Nur wenige Organisationen haben es geschafft, diesen Verlust aufzufangen und zu kompensieren.

Und nun? Gehen wir zurück in die «alte Normalität»? Das wäre wohl illusorisch. Die Menschen sind in der Pandemie in neue Organisations- und Arbeitsformen gezwungen worden und viele haben sich schnell und gut darin zurechtgefunden. Ja, viele haben sogar schätzen gelernt, dass HomeOffice auch Vorteile bietet (weniger Reisezeit und -kosten, höhere Flexibilität in der Tagesgestaltung, intensivere Beteiligung am Familienleben, …) und suchen nun nach einer «neuen Normalität», in der sie die neugewonnenen Vorteile nicht verlieren, aber auch die Vorteile der «alten Normalität» wieder nutzen können – z.B. die persönlichen Gespräche an Meetings und in der Kaffeepause.

Doch wie definiert man eine «neue Normalität»? Am besten gemeinsam! Wenn Führungspersonen und Mitarbeitende gemeinsam Bedürfnisse, Wünsche und Sachzwänge diskutieren können und neue Wege finden, dann definiert das sowohl die neue Organisation als auch die neue Organisationskultur. Nachhaltige Lösungen können gemeinsam diskutiert, umgesetzt und stetig verbessert werden – was früher «verkrustet» war, ist heute aufgeweicht und kann erfahrungsbasiert diskutiert werden. Ja, HomeOffice hat Vorteile und ja, der persönliche Kontakt ist auch in einer digitalisierten Welt wichtig und ein Bedürfnis von Mitarbeitenden sowie Führungspersonen. Danke, Pandemie, dass du uns das im Eiltempo gelehrt hast. Jetzt nutzen wir unser Wissen und unsere Erfahrung und gestalten eine «neue Normalität» in einer Organisationskultur, die allen nützt.

Ein Beispiel aus der Praxis – good practice einer Bankfiliale:

Alle Mitarbeitenden diskutieren gemeinsam, welche Arbeiten «vor Ort» ausgeführt werden müssen und wie diese personell abgedeckt werden können (Anzahl Personen, Servicezeiten etc.). Die Bankmitarbeitenden sind sich seither einig, welche Abteilung wie viele Personen zu welchen Zeiten vor Ort bereitstellen, damit der Bankbetrieb für die Kunden ohne Qualitätsverlust gewährleistet ist. Anschliessend ist es den Teams überlassen, wie sie sich organisieren wollen (Regelungen betr. Mindestmass an Vorortarbeit, Abspracheverfahren, Definition neuer Kommunikationswege und -rhythmen, Notfallplan bei Ausfällen etc.). D.h. die Bankmitarbeitenden verhandeln zuerst «das grosse Ganze» und die Teams legen dann ihre individuellen Regeln, Kanäle und Abläufe fest. Monatlich wird ein «Boxenstopp» durchgeführt, an dem Vertreter aus den Teams darüber berichten – basierend auf Kunden- und Mitarbeiterfeedback -, was gut läuft und was noch verbessert werden kann. Aus diesem Lern- und Entwicklungsprozess entstehen Feinjustierungen im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP), was die neue Arbeitskultur unterstützt und festigt.

September 2021, Irene Kaiser

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